Letzte Aktualisierung: 17. Januar 2011, PK
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Peter Knauer SJ


GESCHÖPFLICHKEITSBEWEIS
 

0. Wer etwas beweisen will, muss zunächst erläutern, was denn der Gegenstand seines Beweises sein soll.

1. Die christliche Botschaft behauptet, »Wort Gottes« zu sein. Dann muss sie auch sagen können, wer »Gott« sein soll und mit welchem Recht sie von ihm redet. Dabei entsteht das Problem, wie man denn überhaupt einen Begriff von Gott haben kann, wenn zugleich behauptet wird, er sei unbegreiflich.


2. BEGRIFFSERLÄUTERUNG: Die christliche Botschaft erläutert das Wort »Gott« durch den Hinweis darauf, dass wir »aus dem Nichts geschaffen« seien.

2.1 »Aus dem Nichts geschaffen« sein bedeutet: in allem, worin wir uns vom Nichts unterscheiden, gehen wir auf in einem »restlosen Bezogensein auf ... / in restloser Verschiedenheit von ...«. Das Woraufhin dieses Bezogenseins nennen wir »Gott«.  Zu beweisen wird also sein, dass die Welt tatsächlich die Struktur eines »restlosen Bezogenseins auf ... / in restloser Verschiedenheit von ...« hat.
 

1: Übliches Relationsverständnis:
Relation der Substanz nachgeordnet

2: Geschöpflichkeitsrelation:
In allem, worin sich etwas vom Nichts unterscheidet, bezogen auf ...

2.2 Gott ist also nach der christlichen Botschaft, »ohne wen nichts ist«. Alles, was wir von Gott begreifen, ist immer nur das von ihm Verschiedene, das auf ihn verweist. Gott selbst fällt unter keinen Begriff.

3: Natürliche Gotteserkenntnis (vgl. DH 3004):
Erkenntnis der eigenen Geschöpflichkeit

2.3 Man kann deshalb nach der christlichen Botschaft von Gott nur »hinweisend« (= »analog«) sprechen. In ihrem »restlosen Bezogensein auf ... / in restloser Verschiedenheit von ...« ist die Welt Gott zugleich ähnlich und unähnlich; es gibt jedoch keine Ähnlichkeit in der umgekehrten Richtung. Diese einseitige Analogie unterscheidet das christliche Gottesverständnis von einer Projektion.
 



4: Bloße Projektion (wechselseitige Ähnlichkeit):diffus Gott und Welt übergreifender Seinsbegriff
 

 

5: Einseitige Analogie (vgl. DH 806):
     via affirmativa: Bezogensein auf ...
     via negativa: Verschiedensein von ...
     via eminentiae: einseitige Ähnlichkeit

2.4 »Schöpfung« konkurriert in diesem Verständnis nicht mit naturwissenschaftlichen Erklärungen der Weltentstehung, sondern umfasst jede nur denkbare naturwissenschaftliche Erklärung. Mit der Rede von einem »zeitlichen Anfang der Welt« ist gemeint, dass auch die Zeit selbst auf die Seite des Geschaffenen gehört und nicht Gott und Welt übergreift.

2.5 Anstatt von Allmacht in einem bloß potentiellen Sinn zu sprechen, anerkennt die christliche Botschaft Gott als aktuell »in allem mächtig«; auch im Leid und sogar in allem Bösen, das geschieht, bleibt er dies. Man kann jedoch nichts von Gott herleiten, sondern nur in der umgekehrten Richtung von allem, was geschieht, sagen, dass es ohne ihn nicht sein kann.
 

6: Das der Vernunft zugängliche Geschaffensein als einseitige reale Relation (vgl. Thomas v. Aquin, Summa theologica, I q13 a7 c)


3. METHODISCHE HINWEISE: Ein »Gottesbeweis«, der die Unbegreiflichkeit Gottes wahren soll, kann nur im Aufweis unserer eigenen Geschöpflichkeit bestehen. Man muss zeigen, dass der Versuch, weltliche Wirklichkeit als nicht geschaffen zu beschreiben, zu einem logischen Widerspruch führt.

3.1 Wenn man meint, die Welt »erklären« zu müssen, muss man auch begründen, warum sie überhaupt einer Erklärung bedarf und was also eine Erklärung zu leisten hat.

3.2 Die Notwendigkeit, etwas zu erklären, besteht überhaupt nur da, wo sich bei der Beschreibung eines Sachverhalts ein Widerspruchsproblem ergibt. Die Erklärung besteht dann in der Angabe dessen, wodurch sich die Beschreibung des Sachverhalts von einem logischen Widerspruch und damit von einer falschen und unsinnigen Beschreibung unterscheidet.

3.3 Ein Geschöpflichkeitsbeweis muss prinzipiell möglich sein. Denn die Behauptung lautet, wir seien genau in dem Maß geschaffen, in dem wir sind: Unser Sein sei also mit unserem Geschaffensein identisch. Dann muss Geschöpflichkeit an unserem eigenen Sein, das Gegenstand der Vernunft ist, ablesbar sein. Deshalb spricht man von »natürlicher Gotteserkenntnis«. Im Unterschied dazu hat Gottes Gnade nicht ihr Maß am Geschaffenen, sondern ist die ewige Liebe des Vaters zum Sohn, in die wir aufgenommen sind. Sie kann nicht am Geschaffenen abgelesen werden, sondern muss einem in einem Wort verkündet werden, das man nur im Glauben selbst als dem Erfülltsein vom Heiligen Geist als wahr erkennen kann. 


4. BEWEIS der Geschöpflichkeit:

4.1 Wenn die Welt ein »restloses Bezogensein auf ... / in restloser Verschiedenheit von ...« sein sollte, müsste sich dies daran erweisen, dass sie ein Zugleich von Gegensätzen (Sein als Bezogensein auf ... / und Nichtsein als Verschiedensein von ...; entsprechend auch Identität und Nichtidentität, Notwendigkeit und Nichtnotwendigkeit) darstellt.

4.2 Dies ist tatsächlich der Fall. Zum Beispiel bedeutet Veränderung, dass dasselbe zwar immer noch dasselbe, aber doch nicht mehr ganz dasselbe ist. Es gelingt nicht, dem bereits etwa durch die Unterscheidung von einer angeblich gleichbleibenden Substanz und den wechselnden Akzidentien Rechnung zu tragen, weil es gerade die Substanz selbst ist, welche die jeweils unterschiedlichen Eigenschaften hat und sich dadurch mitverändert.

4.3 Ein solcher Sachverhalt lässt sich nur dann von einem kontradiktorischen Widerspruch unterscheiden, wenn man für das Zugleich der Gegensätze zwei verschiedene Hinsichten angeben kann, die sich nicht wiederum ausschließen; sie sind nur im Geschöpflichkeitsbegriff gegeben.

5. In diesem Geschöpflichkeitsbeweis wird die Welt nicht durch »Gott«, sondern dadurch erklärt, dass sie in sich selbst ein »restloses Bezogensein auf ... / in restloser Verschiedenheit von ...« ist. Vorausgesetzt ist in diesem Beweis nur die jeweils konkrete Wirklichkeit der Erfahrung und das Nichtwiderspruchsprinzip in seiner Anwendung auf diese Erfahrung: Von einem Widerspruch nicht unterscheidbare Aussagen sind unsinnig; die Leugnung dieses Prinzips würde sich selbst aufheben.

6. Widerlegt würde ein Geschöpflichkeitsbeweis nur, wenn man irgendeinen weltlichen Sachverhalt vorführen könnte, der nicht die Struktur einer Einheit von Gegensätzen hätte. Durch die Angabe dieser (voraussichtlich nicht erfüllbaren) Widerlegungsmöglichkeit unterscheidet sich unser Verfahren von einer Immunisierungsstrategie, in der etwas behauptet würde, wofür sich keine Widerlegungsmöglichkeit angeben ließe, so dass es mit schlechthin allem vereinbar wäre und deshalb irrelevant wäre.


7. Aufgrund der unüberbietbaren Abhängigkeit des Geschaffenen von Gott kennt die christliche Botschaft kein anderes besonderes Eingreifen Gottes in die Welt als seine Selbstmitteilung allein durch sein Wort für den Glauben allein.
 

7: Übernatürl. Gotteserkenntnis (vgl. DH 3015):
Reale Relation Gottes auf die Welt als trinitarische Relation, die nur durch das Wort und allein im Glauben erkannt werden kann.

8. Wegen der Einseitigkeit der realen Relation des Geschaffenen auf Gott gilt, dass keine geschaffene Qualität jemals ausreichen kann, Gemeinschaft mit Gott zu begründen. Gemeinschaft mit Gott kann nach der christlichen Botschaft nur so ausgesagt werden, dass die Welt in die ewige Liebe des Vaters zum Sohn, die der  Heilige Geist ist, hineingeschaffen ist.


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